Heimatfreunde und Seniorenunion zu Besuch bei Archäologen in München

 

Einhunderttausend Jahre: soviel Geschichte steckt nach den Worten von Professor Sebastian Sommer im bayerischen Boden. Er muss es wissen: er leitet die Abteilung Bodendenkmalpflege am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Mitglieder des Vereins der Heimatfreunde im Landkreis Rottal-Inn und der Seniorenunion Rottal-Inn unter der Leitung von Kreisrat Lothar Müller hat ihn und sein Team besucht und sich die Arbeit der bayerischen Archäologen zeigen lassen. Mit dabei war auch der Kulturbeauftragten des Landkreises Dr. Ludger Drost.

Nur zu 1000‒2000 Jahren der bayerischen Geschichte gibt es schriftliche Quellen. Die lange Zeit davor müssen sich Archäologen aus dem erschließen, was sich im Boden verbirgt: Faustkeile, Knochen, Waffen, Pfostenlöcher Mauerzüge und vieles mehr. Doch die Aufgabe Sommers und seiner Abteilung besteht, anders als es manch einer erwartet hatte, weniger darin, diese Zeugnisse möglichst schnell ans Licht zu holen. Das Denkmalschutzgesetz verlangt im Gegenteil, vor allem sie zu erhalten. In Denkmallisten und Karten erfassen die Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege die bekannten Objekte, die sich durch Geländeformationen, Funde oder frühere Grabungen offenbaren. Im Bayerischen Denkmalatlas sind sie für jedermann im Internet verzeichnet.

Zum Treffen mit den Heimatfreunden war auch Dr. Ralph Hempelmann extra von seiner Dienststelle in Regensburg angereist. Er ist seit Kurzem als Archäologe auch für den Landkreis Rottal-Inn zuständig. Beim Erfassen der wertvollen Geschichtsquellen im Boden ist er oft auf die Hilfe an Ort und Stelle angewiesen. In fast ganz Niederbayern gibt es ein Netz an kommunalen Archäologen in Städten und Landkreisen. Ausgerechnet Rottal-Inn ist allerdings noch ein weißer Fleck auf dieser Landkarte. Die Anzahl der verzeichneten Bodendenkmäler ist entsprechend geringer. Für Bauwillige sei das nur bedingt eine gute Nachricht: wer nicht weiß, auf welchem historischen Grund er plane, könne bei Baggerarbeiten böse Überraschungen erleben. Baustopp und Notgrabung ließen sich oft vermeiden, wenn man die schützenswerten Bereiche schon vorher in die Planungen einbeziehen könne. Vielfach helfen auch ehrenamtliche Kräfte beim Aufspüren von Bodendenkmälern.

Weniger gern gesehen sind jedoch Schatzsucher und Sondengeher auf eigene Faust. Der Wert der Fundobjekte sei meist nicht sehr hoch. Der Verlust an Wissen, der sich aus der Fundstelle und dem Zusammenhang mit anderen Objekten ergebe dagegen schon. Und was passiert mit den Funden? Professor Sommer bedauerte sehr das Fehlen eines „Schatzregals“ in Bayern, also einer eindeutigen Regelung, dass archäologische Funde dem Staat gehören und nicht unter dem Finder und Grundbesitzer aufgeteilt werden. Diese Lösung bezeichnete er als eine „Einladung an Raubgräber“.

Im Anschluss konnten die Teilnehmer der Fahrt noch Einblicke in die konkrete Arbeit der Restaurierung in der Abteilung Bodendenkmalpflege gewinnen: Die Restauratorin Stefanie Gasteiger und ihr Team erläuterten die Befunddokumentation und die Erhaltung von Bodenfunden. Die Freilegung und dauerhafte Konservierung von Eisen- und Keramikobjekten konnte unmittelbar nachvollzogen werden. Besonders interessierte die Teilnehmer die Erkenntnisse zu einem keltischen Kettenhemd, das beim Trassenbau der S-Bahnlinie Geltendorf-Grafrath gehoben worden war.